Nozbe

Interview mit Dominik Juszczyk, Gallup Certified Strengths-Coach, der Teams dabei hilft, ihre Produktivität und Effektivität zu steigern.

Während unserem letzten Nozbe-Mitarbeitertreffen hatten wir einen Workshop für unser Team, in dem es um unsere Talente ging :-) Der Workshop basierte auf unseren Ergebnissen aus dem StärkenFinder-Test, der vom Gallup Strengths Center erstellt wurde und den wir vor unserem Treffen machten. Doch was sind „Talente“ überhaupt?

Hören wir das Wort „Talent“, denken wir an jemanden, der singen oder tanzen kann oder in etwas Anderem, Einzigartigem sehr gut ist. Wenn wir von „Talent“ sprechen, denken wir an die Fernsehsendung „Deutschland sucht den Superstar“. Wenn wir bei Gallup aber davon sprechen, mit den Talenten zu arbeiten und die eigenen Stärken zu entwickeln, dann definieren wir Talent anders. Für uns kann Talent die Fähigkeit sein, schnell Entscheidungen treffen zu können, umsichtig an ein Problem heranzugehen, die Gefühle anderer Menschen zu analysieren, mit Fremden zu reden. Jeder dieser Charakterzüge ist ein Talent. Nach Gallup ist ein Talent ein angeborenes und wiederkehrendes Muster aus Reaktion, Gefühl und Aktion.

Ein Talent ist also alles, was wir automatisch und ständig tun. Basierend auf jahrelanger Recherche kategorisierte und beschrieb die Gallup Organization die Talente von Menschen und entwickelte eine Liste mit 34 Talenten. Wenn wir also von Gallups Talenten (allgemein bekannte Bezeichnung) sprechen, meinen wir diese 34 Qualitäten.

34 Talente

Müssen wir aber wirklich Tests machen, die amerikanische Psychologen erstellten, die uns niemals persönlich trafen und nichts über unser Temperament, über unsere Erfahrungen und über unsere derzeitige Lebenssituation wissen, damit wir unsere Talente entdecken?

Ja und Nein :-) Wenn Sie die Hilfsmittel nutzen möchten, die von der Gallup Organization erstellt wurden, ist es empfehlenswert, diesen Test zu machen. Wenn Sie nur die Charakteristika der Talente brauchen, ohne die genauen Namen Ihrer eigenen Talente zu wissen, ist der Test nicht nötig. Die Charakteristika beinhalten Informationen darüber, was uns hilft, damit wir erfolgreich werden, was wir am leichtesten und schnellsten lernen und mit welchen Aufgaben wir den sogenannten „Fluss“ erleben.

Der Test gibt uns aber viel genauere Informationen. Er wurde auf der Basis von jahrzehntelanger Forschung zusammengestellt und besteht aus 177 Fragen. Diejenigen, die den Test machen, haben nur 20 Sekunden für jede Frage. So wird vermieden, dass Antworten zu sehr analysiert werden. Am Ende gibt es eine Liste mit den Top-5-Talenten (oder in der zweiten und teureren Test-Version: alle 34 Talente, nach ihrem Auftreten gelistet).

Nach Studien gibt es bei fast 80% der Personen, die den Test erneut machen, dasselbe oder ein ähnliches Ergebnis.

Die Verlässlichkeitsrate des Tests ist sehr hoch. Ich muss zugeben, einige Leute in unserem Team waren bzgl. dem Test skeptisch, sogar nachdem sie ihre Ergebnisse im StärkenFinder-Bericht gelesen haben. Aber nach dem tollen Workshop, den Sie für uns vorbereitet haben, waren sie überzeugt :-) Warum bieten Sie solche Workshops an?

Ich freue mich sehr, das zu hören :-) Curt Liesveld, einer von Gallups berühmtesten Talentexperten, sagte immer, dass man zuerst seine Talente entdecken muss, um sich in sie zu verlieben. Und es hilft wirklich, wenn man seine Talente liebt. Tut man es nicht, ist es schwer, sie zu entwickeln und im täglichen Leben zu nutzen.

Was die Reaktion Ihres Teams betrifft: Das ist nichts Neues. Um seine Talente nutzen zu können, muss man sie vorher entdecken. Deswegen biete ich diese Workshops an. Ich möchte den Menschen dabei helfen, ihre Talente zu entdecken („Talent benennen“), sie zu erleben („Talent einfordern“) und zu zeigen, wie man sie im täglichen Leben nutzt („Talent zielbewusst einsetzen“).

In Gruppen-Workshops lernt man auch die Talente anderer Menschen kennen, was die Zusammenarbeit wirklich erleichtert. Wenn wir erkennen, dass unser Kollege kein Pessimist ist, wie wir glaubten, sondern das Talent „Deliberative (Behutsamkeit)“ hat, dann verstehen wir seine Motivation. Dieses Talent ist die angeborene Fähigkeit, Hindernisse vorauszuahnen und Wege zu entwickeln, wie man diese überwindet. Mit diesem Wissen können wir in verschiedenen Situationen solche Menschen bewusst um Hilfe fragen. Und das ist nur ein Beispiel aus den 34 Talenten. Es gibt also Vieles, was man über andere Menschen lernen kann. Wenn man dieses Wissen praktisch einsetzt, verbessert es die Kommunikation, es erleichtert das Delegieren und das Lösen von Konflikten sowie viele anderen Aspekte der Teamarbeit.

Im Workshop haben wir gelernt, dass es nicht ausreicht, die eigenen Stärken kennenzulernen und ihre Beschreibungen zu lesen. Gemeinsam kamen wir auf die Idee, dass wir viel Zeit in der Sonne verbringen sollten, wenn unsere Talente reifen sollen :-) Aber Spaß beiseite. Wie können wir es schaffen, damit unsere Talente reifen, d.h. damit wir sie effektiv in der Praxis einsetzen können?

Leider gibt es keine einfache und universelle Methode. Wie schon oben gesagt: Talente sind angeboren und ein wiederkehrendes Muster von Aktion, Gefühl und Reaktion. Wenn Talente noch unreif sind, behindern sich diese Muster selbst. Menschen, die ein Talent in „Empathy (Einfühlungsvermögen)“ haben, haben in der Regel mehr Mitgefühl. Menschen mit dem Talent „Analysts (Analyse)“ haben andererseits oft Blockaden bei der Entscheidungsfindung, denn sie müssen jede noch so kleine Entscheidung vorsichtig abwägen. Ein Mensch mit dem Talent „Deliberative (Behutsamkeit)“ wird nicht mit einer Risikominderung in Zusammenhang gebracht, sondern mit Pessimismus. Das sind alles Risiken, die sich aus unreifen Talenten ergeben. Deshalb muss man zuerst die unreifen Talente identifizieren, damit man diese zum Reifen bringen kann. Wie man das macht? Indem man nach dem Test die Beschreibungen liest und sich die Serie „Theme Thursday” auf YouTube anschaut (jedes Talent wird einzeln diskutiert). Es ist auch sehr hilfreich, wenn man mit Menschen spricht, die einen kennen. Sie können Ihnen sagen, wenn Ihre Talente reif sind und wenn nicht.

Und wenn man weiß, welche Talente unreif sind …

… können wir weiter an ihnen arbeiten. Es hilft natürlich, wenn wir unsere Stärken auf unseren Talenten aufbauen, indem wir unsere Talente mit Wissen, Fähigkeiten und Praxis weiterentwickeln. Es kann auch hilfreich sein, mit einem Coach zu arbeiten, der diese Methode kennt, ebenso, wenn man in einer Gruppe von Leuten arbeitet, die ihre eigenen Talente verstehen.

Dominik Juszczyk

Welche anderen Beispiele von reifen und unreifen Talenten können Sie noch geben?

Neben den Talenten, die wir oben aufzählten, ist ein weiteres interessantes Talent „Restorative (Tatkraft)“. Menschen mit diesem Talent sehen Dinge und Bereiche, die nicht funktionieren und die wiederhergestellt werden müssen, damit sie richtig arbeiten. Sie wissen, wie man die passenden Hilfsmittel und Aktionen auswählt. Ist das Talent unreif, sind sie darauf fokussiert, Probleme zu finden … oder sie provozieren sogar welche. Diese Menschen können nicht loslassen, auch dann nicht, wenn es sich nicht lohnt, etwas zu reparieren. Sie mischen sich ein und lösen Probleme für andere Menschen – auch wenn sie nicht darum gebeten wurden. Ist dieses Talent ausgereift, können diese Menschen die Bereiche auswählen, bei denen es sich lohnt, sie wieder in den Originalzustand zu versetzen. Ein Mensch mit dem ausgereiften Talent „Restorative (Tatkraft)“ weiß, was er tun muss, mit wem er zusammenarbeiten sollte. Es ist sein Ziel, das zu reparieren, was nicht funktioniert.

Ein weiteres Beispiel für ein reifes und unreifes Talent ist „Learner (Wissbegierde)“. In seiner unreifen Form sucht eine Person mit einem solchen Talent Bereiche, in denen er schnell etwas lernen und neues Wissen erhalten kann. Am Anfang lernt er noch sehr viel. Später, wenn er nicht mehr so schnell lernt, lernt er nicht mehr weiter und geht zu etwas Neuem über, um „wieder den Wind in den Segeln zu spüren“. Mit einem gereiften Talent können diese Menschen bewusst auswählen, was, wann, mit wem und wie sie lernen möchten. Sie werden sich nicht gezwungen fühlen, von einem Thema zum anderen springen zu müssen.

Das bedeutet also, dass wir uns unsere Schwächen ansehen sollen, denn sie sind vielleicht unsere unreifen Talente? Wie hängen der StärkenFinder-Test und seine Ergebnisse mit der persönlichen Produktivität zusammen?

Mit den Ergebnissen des StärkenFinder-Tests können Werkzeuge und Methoden ausgewählt werden, die die Produktivität unterstützen, die auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten sind. Eine Person mit dem Talent „Flexibility (Anpassungsfähigkeit)“ (er hat die Fähigkeit, aber auch das Bedürfnis, ständig die Kontexte zu wechseln) arbeiten völlig anders als jemand mit dem Talent „Discipline (Disziplin)“ (Fähigkeit, aber auch das Bedürfnis, Ordnung und Strukturen herzustellen). Wenn wir unsere Talente erkennen, können wir wählen, wie wir planen (Zeithorizont/-raum), wir können die Werkzeuge und den Weg auswählen, wie man mit ihnen arbeitet (einige Jahre im Voraus planen statt für die nächste Woche planen). Das Talent zeigt sich im Verhalten sehr stark. Deswegen lohnt es sich zu wissen, wie unsere Talente unsere Leistung beeinflussen.

Und wie nutzt man dieses „geheime“ Wissen, damit die ganze Gruppe/das gesamte Team profitiert?

Stellen Sie sich vor, Sie kommen in ein Team und haben bereits Informationen dazu, wie der einzelne kommuniziert, wie er Aufgaben akzeptiert, wie oft Sie seine Ergebnisse prüfen müssen, wie Sie ein Feedback geben müssen etc. Würde das nicht gleich am Anfang die Zusammenarbeit erleichtern? Derzeit ist es aber so, dass in Teams, die bereits eine lange Zeit miteinander arbeiten, dieses Wissen über den anderen fehlt. Talente helfen uns, das Verhalten des anderen im Kontext von seinen Werten und Bedürfnissen zu verstehen. Gibt es jemanden im Team, der viele Fragen stellt? Dann ist sein Talent vielleicht „Analysts (Analyse)“, der die Gründe und Ursachen verstehen muss? Gibt es vielleicht jemanden, der sofort mit dem Projekt beginnt, die Konsequenzen aber nicht berücksichtigt? Dann ist er vielleicht ein Mensch mit dem Talent „Activator (Selbstbewusstsein)“, der den Zwang verspürt, zu handeln. Und so weiter. Wenn wir Talente kennen, können wir den anderen verstehen und, im Ergebnis, unsere Zusammenarbeit verbessern.

Und die letzte Frage: Wie kann man die „Stärken“-Theorie im Team umsetzen?

Es ist wichtig, dass jeder im Team seine Talente versteht, bevor man sie mit anderen diskutiert. Es wäre hilfreich, wenn jemand innerhalb oder außerhalb des Teams diese Methode erklären könnte. Wenn Menschen ihre Talente entdecken, ist es ratsam, über Werte und Bedürfnisse zu sprechen, die aus diesen Talenten erwachsen. Das hilft, sich gegenseitig besser zu verstehen.

Im nächsten Schritt sollte man nach einer kompatiblen Partnerschaft suchen. Ist das Talent eines Menschen „Communication (Kommunikator)“ (d.h. die Fähigkeit, komplexe Themen in einfache Begriffe zu übersetzen), kann sich dieser mit einem Menschen mit dem Talent „Analysts (Analyse)“ zusammenzutun um sicherzustellen, dass das Thema verständlich ist. Eine Person mit dem Talent „Futuristic (Zukunftsorientierung)“ kann Hilfe bei einem Menschen mit dem Talent „Strategic (Stratege)“ finden, um den besten Weg zu finden, ein Ziel zu erreichen. Auf der anderen Seite kann ein Mensch mit dem Talent „Strategic (Stratege)“ Unterstützung bei einem Menschen suchen, dessen Talent „Focus (Fokus)“ ist, um auf dem richtigen Weg zu bleiben und nicht das gemeinsame Ziel aus den Augen zu verlieren. Es ist auch eine gute Idee, die Talente im täglichen Leben sichtbar zu machen – z.B., indem man sie in der E-Mail-Signatur anzeigt oder neben seinem Avatar :-)

Dominik Juszczyk
Setzt die optimale Vorgehensweise in das Leben und in die tägliche Arbeit ein, um seine eigene Produktivität und die des Teams zu steigern. Als Gallup Certified Strengths-Coach hilft er Teams, ihre Produktivität und Effektivität zu steigern. Er versucht, das beste aus jedem Tag zu machen und geht morgens gerne Joggen. Seine Top-5-Stärken sind: Individualization (Einzelwahrnehmung) | Arranger (Arrangeur) | Learner (Wissbegierde) | Empathy (Einfühlungsvermögen) | Intellection (Intellekt)