Bei Nozbe haben wir eine neue Unternehmenspolitik: Wir behandeln den Freitag anders. Wir nennen das „Piąteczek“ (Polnisch), was man in TGIF – „Thank God It’s Friday – Zum Glück ist heute Freitag“ übersetzen könnte. Darum geht es:
Hinweis: Das ist eine gekürzte Version des Posts, den ich ursprünglich auf Medium veröffentlichte. Dort schreibe ich als Teil des NoOffice-Blogs über Telearbeit. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir dort folgen und meine Posts weiterempfehlen würden. Danke!
2. Hinweis: Wenn Sie eine „Audio“-Version dieses Artikels bevorzugen: Ich diskutierte diese neue TGIF-Politik mit meinem Co-Host Radek in der #60. Episode von The Podcast. In der #70. Episode haben wir das Thema wieder aufgegriffen.
Eine neue Unternehmenspolitik versuchsweise einführen, mit der wir eine kürzere, aber dennoch produktivere Arbeitswoche haben … mit mehr Zeit für einen Wochenrückblick und um etwas Neues zu lernen … oder doch lieber nicht?
Nozbe ist schon ein ziemlich unorthodoxes Unternehmen. Wir alle arbeiten in Telearbeit, d.h. von zu Hause aus, es gibt kein festes Büro. Seit fast 10 Jahren arbeiten wir so und Hunderttausende Nutzer unserer Nozbe-App scheinen damit keinerlei Probleme zu haben.
Wir sind aber nicht unorthodox, nur um etwas Besonderes zu sein. Wir machen das, weil es funktioniert. Weil wir dank unserer „No Office“-Unternehmenskultur ein besseres Leben haben.
Schließlich sind wir ein Produktivitätsunternehmen. Wenn wir experimentieren, dann aus einem bestimmten Grund: Um besser zu arbeiten. Um besser zu sein. Um besser zu wachsen. Und mit dieser neuen Unternehmenspolitik wollen wir genau das erreichen.
Und alles begann mit 3 Fragen, die mich immer wieder beschäftigten:
Frage: Wie bringt man Menschen dazu weniger zu arbeiten, dafür aber besser?
Es gibt verschiedene Ideen für eine moderne Arbeitswoche:
- Tim Ferriss hatte die verrückte Idee einer „4-Stunden Arbeitswoche“. Das war aber nur ein Werbegag
- Dann gibt es Ryan Carson von Treehouse: 4 Tage arbeiten, 3 Tage Wochenende. Das ist sehr interessant und für Arbeitnehmer verlockend
- Wir haben das traditionelle Arbeiten von 9 bis 5, Montag bis Freitag, die 40-Stunden Arbeitswoche. Das ist aber sehr langweilig und absolut veraltet
- Dann gibt es Googles 20%-Regel – wenn Arbeitnehmer an einem Tag in der Woche an einem anderen Projekt arbeiten können. Das hört sich toll an, ich bin mir aber nicht sicher, ob das heute noch von Bedeutung ist
- Und schließlich gibt es noch Marissa Meyers Workaholic-130-Stunden- im-Büro-schlafen-und-Nachtschichten-einlegen-Arbeitswoche. Das ist sehr hipp bei Startups, über einen längeren Zeitraum aber nicht durchzuhalten
Bis vor Kurzem arbeitete unser Unternehmen „ohne Büro“ sehr traditionell: Normalerweise war jeder so zwischen 9:00 und 17:00 Uhr online. Einige unserer Mitarbeiter begannen früher oder machten während des Tages Pausen und hörten später am Abend auf.
Auch meine Woche war eine klassische Arbeitswoche. Jeden Tage hatte ich ein bestimmtes Thema:
- Montag – CEO-Sachen
- Dienstag – Marketing
- Mittwoch – Produkt
- Donnerstag – Schreiben
- Freitag – Besprechungen
Was mir an dieser Woche nicht gefiel: Ich begann die Woche mit dem langweiligen CEO-Teil. Ich bin gerne Geschäftsführer von Nozbe, ich arbeite aber lieber an dem Nozbe-Produkt, entwickle neue Werbeideen oder schreibe Texte, wie diesen jetzt. Deswegen musste ich meine Woche sowieso neu strukturieren.
Von den oben beschriebenen Arbeitswochen hat mir eine Mischung von Ryan Carson/Google am besten gefallen. Mir gefiel besonders die Idee, weniger zu arbeiten, mehr Freizeit zu haben, ein längeres Wochenende zu haben. Allerdings mochte der CEO-Teil von mir nicht, dass mein Team mehr Freizeit hatte, ohne dass das Unternehmen etwas dafür im Gegenzug erhält. Was sollte ich tun? Wie bringe ich Menschen dazu, weniger zu arbeiten, dafür aber besser?
Frage: Wie bringt man Menschen dazu, mehr zu lernen?
Mit unseren vielen Apps gehören wir zur Technologie-Branche und wegen der Natur unserer Software und unserem Unternehmensziel sind wir ein Produktivitätsunternehmen. Beide Welten ändern sich derzeit sehr schnell und manchmal fällt es schwer, Schritt zu halten!
Wir müssen immer vorwärts gehen. Wenn man in unserer Welt nicht vorwärts geht, steht man still. Und wenn man still steht, geht man rückwärts.
Um aber vorwärts gehen zu können, müssen wir unsere Mitarbeiter fördern – indem sie neue Dinge lernen, etwas Neues ausprobieren, Artikel lesen, Hörbücher und Podcasts anhören, sich Konferenzen anschauen oder an einer teilnehmen. Wie finden wir aber die Zeit dafür, wenn wir doch so viel zu tun haben?
Wenn man wählen muss, etwas Neues zu lernen oder in seinem Beruf zu arbeiten, dann steht der Beruf an erster Stelle. Das ist so und es muss auch so sein. Aber lohnt sich das, auf lange Sicht gesehen? Sollen wir weitermachen wie bisher und die Mitarbeiterförderung „auf später“ verschieben?
Auf keinen Fall. Mitarbeiter müssen regelmäßig gefördert werden, es muss zu einer regelmäßigen Handlung werden. Ich muss es wissen, ich bin Triathlet. Ich muss Zeit finden, um zu schwimmen, Rad zu fahren und zu laufen. Wie kann ich aber bei Nozbe Zeit dafür finden, meine Mitarbeiter zu fördern? Wie erreiche ich, dass Menschen mehr lernen?
Frage: Wie kann ich meine Mitarbeiter dazu bringen, regelmäßig einen Wochenrückblick zu machen?
Als ich 2007 Nozbe entwickelte, inspirierte mich David Allens Buch: “Getting Things Done (GTD) – The Art of Stress Free Productivity”. Abgesehen von den Projekten, den nächsten Aktionen und Kontexten war eines der wichtigsten Konzepte … ein „Wochenrückblick“.
Die Idee ist einfach: Man muss regelmäßig sein eigenes Produktivitätssystem prüfen: Die Aufgaben, Projekte, Verpflichtungen … um den Überblick zu behalten! Und hin und wieder muss man einen Schritt zurücktreten und sicherstellen, dass man weiß, in welche Richtung man geht. Wenn Sie das nicht tun, verlieren Sie die Kontrolle. Andere werden dann Ihr Leben mit deren Zielen übernehmen. Nicht mit Ihren Zielen.
In einem seiner Interviews sagte David Allen so etwas wie:
„In der Regel denke ich einmal die Woche nach … und breche meine „widgets-to-crank“ (d.h. Aufgabenlisten) so herunter, bis sie einfach zu handhaben sind. (…) Ja, ich dachte nach … und ich weiß, ich werde auch nächste Woche nachdenken.“
Meine Probleme mit dem Wochenrückblick
Ich weiß, wie wichtig ein guter Wochenrückblick ist, aber es gibt Wochen, in denen ich kaum Zeit für einen richtigen Rückblick finde. Ich finde es einfach schwer, 2–3 Stunden für mich selbst einzuplanen, um durch all meine Sachen zu gehen. Es fühlt sich an wie Zeitverschwendung. Ich habe dann das Gefühl, ich mache nichts wirklich Wichtiges, wenn ich mein Produktivitätssystem prüfe.
Vor Kurzem wurde dieses Problem größer. Ich machte meinen Wochenrückblick und ging durch all meine Projekte in Nozbe. Da ist mir etwas aufgefallen, was ich schon früher gesehen hatte, aber dieses Mal war es wirklich nicht mehr zu übersehen.
Wir bei Nozbe schreiben keine E-Mails, wir kommunizieren über Aufgaben miteinander. Das bedeutet, wir teilen viele Projekte. Und in diesen Projekten werden viele Aufgaben an verschiedene Leute delegiert. Aber etwas war seltsam, bei vielen dieser Projekte …
„No Country for old men“ – Kein Land zum Altwerden
Ich stellte fest, dass in unseren geteilten Projekten unglaublich viele alte Aufgaben waren. Aufgaben, die im April erstellt worden waren, im März, im Februar … und sogar schon im Dezember letzten Jahres. Und wir hatten jetzt Anfang August! Die Aufgaben waren dort, ohne dass eine aktualisiert worden war, es gab keine neuen Kommentare, nichts. Es gab viele alte, aufgegebene Aufgaben, um die sich die Leute, die dafür verantwortlich waren, nicht mehr kümmerten.
Dann habe ich es verstanden. Die Leute in meinem Team machten keinen richtigen Wochenrückblick mehr. Wir waren alle viel zu beschäftigt mit den ganzen Sachen, die wir täglich zu bearbeiten hatten. Wir hatten keine Zeit mehr, unsere Aufgaben zu prüfen. Und wir nennen uns Produktivitätsunternehmen!
So ging es nicht weiter. Schon unserer Gesundheit zuliebe nicht. Aber auch nicht wegen dem Schwerpunkt unserer Tätigkeit. Für unseren Erfolg. Den Erfolg des Unternehmens. Wir mussten einen richtigen Wochenrückblick machen. WIR ALLE.
Aber: Wie bringt man Menschen dazu, einen Wochenrückblick zu machen?
Drei Fragen, ein Versuch als Antwort: TGIF
Diese drei Fragen tauchten vor Kurzem auf und hielten mich nachts wach: Wo sollte ich die Zeit dafür herkriegen, mehr zu lernen, einen richtigen Wochenrückblick zu machen und am Ende weniger zu arbeiten, dafür aber besser?
Schritt 1. Nur an 4 Tagen arbeiten
Das Problem mit einer 4-Tage-Arbeitswoche ist, dass man nichts wirklich zurückbekommt, wenn man an einem Tag nicht arbeitet. Ich meine, wir haben zwar einen Tag frei, das macht aber die anderen 4 Tage nicht unbedingt besser. Unter Umständen können diese 4 Tage sogar noch stressiger werden. Und es bleibt im Grunde keine Zeit für eine Prüfung der Aufgaben oder um etwas Neues zu lernen.
Schritt 2. Besprechungen, Wochenrückblick und etwas Neues lernen auf Freitag verschieben.
Das ist es! Wenn man einen teamweiten obligatorischen Wochenrückblick freitags macht, arbeitet man von Montag bis Donnerstag besser. Freitag sollte der „Prüftag“ werden, ohne dass wirklich etwas gearbeitet wird. Einige Besprechungen am Morgen (wenn sie wirklich nötig sind), einen Wochenrückblick machen … und sobald das erledigt ist und wir für die nächste Woche vorbereitet sind, können wir tun, was wir wollen!
Stellen Sie sich vor, wie effektiver die ersten 4 Tage der Woche sein können, wenn wir uns so auf diese vorbereitet haben! Wenn wir unseren Wochenrückblick erledigt haben und wir wüssten, was wir die nächste Woche machen möchten … und am Montag direkt mit dem anfangen, was wir planten: Unsere Aufgaben für die Woche zu erledigen?
Das ist die Lösung! Eine neue Unternehmenspolitik:
TGIF – Thank God It’s Friday. Zum Glück ist heute Freitag (auf Polnisch: Piąteczek)
- Wir arbeiten sehr intensiv von Montag bis Donnerstag an unseren täglichen Aufgaben und versuchen dabei, Status-Besprechungen o.Ä. zu vermeiden
- Am Freitag haben wir zwischen 9:00 und 12:00 Uhr alle wichtigen Besprechungen oder Chats … und wir beginnen mit unserem Wochenrückblick
- Jeder berichtet auf Slack, sobald er/sie seinen Wochenrückblick erledigt hat
- Sobald der Wochenrückblick erledigt ist, kann jeder das tun, was er/sie möchte: etwas Neues lernen, an einem Nebenprojekt arbeiten oder ein neues Hobby beginnen … oder einfach die Arbeitswoche beenden und ein längeres Wochenende mit der Familie haben
Wie geht ein guter Wochenrückblick?
Ich habe hierfür eine einfache Prüfliste:
- Posteingänge aufräumen (auf dem Schreibtisch, E-Mails, Nozbe … und alle anderen, die Sie vielleicht haben)
- Sich an die Ziele für dieses Jahr erinnern
- Den Kalender für diese und für die nächste Woche kontrollieren
- Die Ziele für dieses Vierteljahr und für diesen Monat prüfen
- Sich jedes Projekt und jede Aufgabe im Produktivitätssystem ansehen und prüfen
- Die Ziele für diese Woche prüfen und die Ziele für die nächste Woche zusammenstellen
- Freuen Sie sich. Bereiten Sie sich auf die nächste Woche vor!
Weitere Möglichkeiten:
- Räumen Sie ein wenig die Festplatte Ihres Computers auf
- Räumen Sie Ihren Schreibtisch auf, gestalten Sie vielleicht auch ein wenig Ihr Büro um
- Schauen Sie sich das an, was sie lernen möchten
- Schauen Sie sich die Liste der Bücher an, die Sie lesen möchten
- Erstellen Sie eine Playlist der Filme, die Sie sich ansehen möchten, von Online-Konferenzen, an denen Sie teilnehmen möchten
- Tun Sie etwas, was Sie immer tun wollten, wofür Sie aber noch keine Zeit hatten. Jetzt können Sie es tun und das Unternehmen bezahlt Sie sogar dafür!
Nutzen Sie eine Nozbe.how-Vorlage. Meine eigene oder eine von unseren Nutzern: Chad Garett oder Eric Stetler.
Der letzte Freitag war toll, wir freuen uns schon auf Freitag nächste Woche!
Offiziell begannen wir dieses neue System bei Nozbe im August. Die Mitarbeiter waren wirklich aufgeregt. Am Freitag hatten einige Leute ihren Wochenrückblick schon um 9:00 Uhr erledigt! Jeder erzählte von seinem Fortschritt auf Slack. Es wurde darüber gesprochen, wie jeder einzelne diesen Tag verbringt.
Als wir unseren „Nozbe Report“ bekamen, hatte unser Team ein Nozbe Ratio von 160%. Das bedeutet, wir beendeten sehr viel mehr Aufgaben als wir erstellt hatten. Plötzlich verschwanden uralte Aufgaben, sie wurden beendet, aktualisiert oder auf einen anderen Tag verlegt. Natürlich sind nicht alle unsere Projekte so sauber und fokussiert, wie sie sein sollten, aber die Situation hat sich radikal verbessert. Bis jetzt hat mein Team toll auf TGIF reagiert. In ein paar Wochen werde ich mich diesbzüglich wieder melden und erzählen, wie es uns damit geht.
Bei TGIF geht es darum, weniger zu arbeiten, dafür aber besser.
Ich bin der CEO von Nozbe und bitte meine Mitarbeiter tatsächlich, weniger zu arbeiten. Es scheint kontraproduktiv oder verrückt, aber glaube, wir sind auf einem guten Weg. Ich bin mir sicher, wir sind produktiver, wenn wir sehr konzentriert an 4 Tagen arbeiten, als nur halb-konzentriert an 5 Tagen. Ich glaube, mit TGIF können wir wirklich weniger arbeiten, dafür aber besser.
Und jetzt weiß ich es auch. Das hat die Erfahrung im Team gezeigt. Auf unserer Nozbe Reunion im Oktober diskutierten wir, ob wir TGIF beibehalten sollen, es ändern oder zurück zum alten System gehen sollen. Wir waren uns einig: Mit der neuen Unternehmenspolitik können wir besser arbeiten, wir lernen neue Dinge und werden zu Experten in unserem Bereich.
In der #70. Episode von The Podcast, die wir bei der Reunion aufnahmen, haben wir unserer Ergebnisse zusammengefasst.
Versuchen Sie es selbst!
Versuchen Sie es selbst. In Ihrem Team oder in Ihrem Unternehmen. Sprechen Sie mit Ihrem Chef darüber. Lassen Sie mich wissen, was Sie davon halten und wie es bei Ihnen funktioniert.
Und wenn Ihnen diese Idee gefällt, würde ich mich freuen, wenn Sie es auf den sozialen Medien (Twitter, Facebook etc.) teilen. So wird sich das Konzept verbreiten und es hilft vielleicht auch anderen Unternehmen und Teams, weniger zu arbeiten, dafür aber besser. Vielen Dank!